R723 (NH3/DME) als Alternative zu NH3
Die zuvor beschriebenen Erfahrungen beim Einsatz von NH3 in gewerblichen Kälteanlagen mit Direktverdampfung waren Anlass für weitergehende Untersuchungen auf Basis von NH3 unter Zusatz einer öllöslichen Kältemittelkomponente. Wesentliche Ziele dabei waren eine Verbesserung des Öltransportverhaltens und der Wärmeübertragung mit konventionellen Schmierstoffen sowie eine reduzierte Druckgastemperatur für den erweiterten Anwendungsbereich mit einstufigen Verdichtern.
Das Resultat dieses Forschungsprojekts ist ein Kältemittelgemisch aus NH3 (60%) und Dimethylether „DME‟ (40%), das vom Institut für Luft- und Kältetechnik, Dresden (ILK) entwickelt wurde und inzwischen in einer Reihe von realen Anlagen eingesetzt wird. Als überwiegend anorganisches Kältemittel erhielt es entsprechend der üblichen Kältemittelnomenklatur wegen seiner mittleren Molmasse von 23 kg/kmol die Bezeichnung R723.
DME wurde auf Grund seines guten Löslichkeitsvermögens und der hohen Eigenstabilität als Zusatzkomponente ausgewählt. Es hat einen Siedepunkt von -26°C, einen relativ niedrigen Adiabatenexponenten, ist nicht toxisch und steht technisch in hoher Reinheit zur Verfügung. NH3 und DME bilden in der genannten Konzentration ein azeotropes Gemisch mit einem leichten Druckanstieg gegenüber reinem NH3. Der Siedepunkt liegt bei -36,5°C (NH3 -33,4°C), 26 bar (abs.) Verflüssigungsdruck entsprechend 58,2°C (NH3 59,7°C).
Die Druckgastemperatur im Klima- und Normalkühlbereich reduziert sich um etwa 10 bis 25 K (Vergleich von Druckgastemperaturen) und ermöglicht dadurch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs hin zu höheren Druckverhältnissen. Auf Basis thermodynamischer Berechnungen ergibt sich in der Kälteleistung ein Anstieg im einstelligen Prozentbereich gegenüber NH3. Die Leistungszahl liegt ähnlich und ist – experimentell bestätigt – bei hohen Druckverhältnissen sogar günstiger. Auf Grund des geringeren Temperaturniveaus bei der Verdichtung ist zumindest bei Hubkolbenverdichtern mit zunehmendem Druckverhältnis auch ein verbesserter Liefer- und Gütegrad zu erwarten.
Bedingt durch das höhere Molekulargewicht von DME steigen Massenstrom und Dampfdichte gegenüber NH3 um nahezu 50% an, was aber bei gewerblichen Anlagen, zumal in Kurzkreislaufen, weniger von Belang ist. In klassischen Großkälteanlagen ist dies jedoch ein wesentliches Kriterium, u.a. mit Blick auf Druckabfälle und Kältemittelzirkulation. Auch unter diesen Gesichtspunkten wird deutlich, dass R723 bei gewerblichen Anwendungen und insbesondere im Bereich von Flüssigkeitskühlsätzen seinen bevorzugten Einsatzbereich hat.
Die Materialverträglichkeit ist mit NH3 gleich zu setzen. Obwohl unter der Voraussetzung eines minimalen Wassergehalts (< 1000 PPM) im System auch Buntmetalle (z.B. CuNi- Legierungen, Bronzen, Hartlote) potenziell einsetzbar sind, empfiehlt sich dennoch eine Systemausführung entsprechend typischer Ammoniak-Praxis.
Als Schmierstoffe können Mineralöle oder (bevorzugt) Polyalpha-Olefine zum Einsatz kommen. Wie zuvor erwähnt, bewirkt der DME-Anteil eine verbesserte Öllöslichkeit und partielle Mischbarkeit. Von positivem Einfluss auf die Ölzirkulation ist außerdem die relativ niedrige Flüssigkeitsdichte und eine erhöhte Konzentration von DME im zirkulierenden Öl. PAG-Öle wären mit R723 zwar im üblichen Anwendungsbereich voll oder weitgehend mischbar, sind aber aus Gründen der chemischen Stabilität und hohen Löslichkeit im Ölsumpf des Verdichters (starke Dampfentwicklung in Lagern) nicht zu empfehlen.
In Tests wurde auch nachgewiesen, dass die Wärmeübergangskoeffizienten bei Verdampfung und hohen Wärmestromdichten mit R723/Mineralöl-Systemen deutlich höher liegen als mit NH3 und Mineralöl.
Zu den weiteren Eigenschaften gehören Toxizität und Brennbarkeit. Durch den DME Anteil verringert sich die Zündgrenze in Luft von 15 auf 6%. Dennoch ist das Azeotrop in der Sicherheitsgruppe B2 eingestuft, könnte jedoch bei einer Neubewertung eine Änderung erfahren.